Was tun, wenn wir zu scharf gegessen haben?

Diese Frage haben wir uns alle schon einmal gestellt. Auch wenn wir meinen, die Antwort zu kennen, kommt es doch immer wieder zu Situationen, in denen keine Milch im Kühlschrank steht.

Der zweitschärfste Chili der Welt: Trinidad Moruga Scorpion mit knapp 2 Mio. Scoville

Es gibt viele Möglichkeiten, die über die verschiedensten Mechanismen den Schärfeschmerz lindern können. Wenn ihr diesen Artikel bis zum Schluss gelesen habt, wisst ihr in jeder Situation, welche Möglichkeiten euch wirklich alle zur Verfügung stehen, um euch oder anderen zu helfen.

Fangen wir mit dem bekanntesten Prinzip an: Fett

Capsaicinoide wie Capsaicin bestehen chemisch betrachtet aus einer Vanilloidgruppe, einer Peptidbindung und einer Fettsäure. Die Vanilloidgruppe löst den Hitzereiz aus, die Fettsäure führt zu der wasserabweisenden Eigenschaft. Gleichzeitig kann diese Fettsäure sich aber sehr gut an andere Fette binden, wodurch auf der anderen Seite die Vanilloidbindung an den Rezeptor gestört wird. Entsprechend lässt der Schmerz nach.

Wirksam sind demzufolge fetthaltige Produkte wie Milch oder Kakao, Milcheis, Käse, Joghurt, Quark, Öl, Margarine, Butter, Mayonnaise, Kokosmilch oder fettiges Fleisch. Je höher jeweils der Fettgehalt in den Produkten ist, umso besser. Weicher Käse ist besser geeignet als harter, da Hartkäse sich nicht so leicht verteilt.

Neben Fett wirkt auch Casein – das Protein aus Milchprodukten – capsaicinbindend. Das spricht ebenso für die bereits erwähnten Produkte Milch, Kakao, Milcheis, Käse, Joghurt und Quark. Es erklärt auch, wieso ihr nicht unbedingt eine Vollmilch haben müsst. Genauso zeigt auch fettarme Milch ihre Wirkung. Trotzdem gilt natürlich in beiden Bereichen – dem Fettgehalt und dem Caseingehalt: viel hilft viel.

Der dritte bekannte Capsaicinbinder ist Alkohol. Schade nur, dass Alkohol auch eine andere Wirkung hat, die uns die Verwendung im Alltag nicht immer möglich macht. Aber auch nach der Arbeit sind abhängig von der Schärfe des Essens schnell einige Zentiliter Schnaps nötig, um wirklich genug Schärfe zu binden. Neben der Wirkweise als Capsaicinbinder und Zellgift wirkt Alkohol auch betäubend, was der Effizienz zur Schmerzbekämpfung zugutekommt. Dasselbe gilt auch für Hopfen. Daher könnte unter Umständen auch ein Bier helfen, wenn ihr nicht ganz so viel Alkohol trinken wollt. Auch in alkoholfreiem Bier ist Hopfen enthalten.[1]

Wo wir vom Prinzip der Schmerzlinderung durch Beruhigungsmittel in Lebensmitteln sprechen, stelle ich euch hier meinen Geheimtipp für euch vor: Chinin.

Chinin ist Bestandteil von bitteren Getränken wie Bitter Lemon und Tonic Water. Chinin wirkt leicht lokal betäubend.[2] Im Rahmen einer Party würde sich an dieser Stelle auch Gin-Tonic anbieten. Dann hättet ihr den capsaicinbindenden Effekt von Alkohol mit den schmerzlindernden Effekten von Alkohol und Chinin kombiniert. Ein weiterer entscheidender Bestandteil in Bitter Lemon und Tonic ist Zucker. Zucker lenkt unsere Wahrnehmung auf den süßen Geschmack und hebt die Schmerzschwelle unserer Rezeptoren signifikant an.[3] Auch andere süße Lebensmittel können also schmerzlindernd wirken.

Weißbrot hilft aufgrund seiner Struktur, die an einen Schwamm erinnert. Wir entwickeln viel Speichel, wenn wir Weißbrot essen. Dadurch saugt es sich damit voll, aber nimmt dabei auch das Capsaicin auf, das es von unseren Schleimhäuten kratzt. In Kombination mit einem capsaicinlöslichen Stoff kann ein recht gutes Ergebnis erzielt werden. In Fachkreisen wird ein ungetoastetes Toastbrot mit Mascarpone empfohlen, da Mascarpone einen besonders hohen Fettgehalt hat.[4]

Extrem scharfes Essen

Bei extrem scharfem Essen, wie zum Beispiel dem Verzehr einer puren Habanero oder einer noch schärferen Schote, solltet ihr euch nur auf eine kleine Auswahl von Methoden beschränken, wenn es euch möglich ist. Es gibt zwei Besonderheiten, die hier zum Tragen kommen: Einmal haben wir mehr Capsaicin im Mund als unsere Rezeptoren überhaupt noch aufnehmen können und außerdem kann sich extrem scharfes Essen auch im Magen bemerkbar machen. Dies geschieht in Form von sehr unangenehmen Magenkrämpfen, die über Stunden andauern können.

Zum ersten Punkt kann ich euch persönlich von den meisten flüssigen Substanzen eher abraten. Durch die enorme Menge an Capsaicin in der Mundhöhle werdet ihr nicht alles Capsaicin binden können und verteilt die Schärfe eher noch weiter, wie wenn ihr Wasser trinken würdet. Wenn ihr sehr viel auf einmal trinken könnt, mag dieser Einwand ggf. ungerechtfertigt sein 🙂

Ganauso spricht nichts dagegen, wenn ohnehin bereits alles brennt, unter laufendem kalten Wasser am Wasserhahn den vorderen Teil der Zunge zu spülen. Solange das kalte Wasser an den Schleimhäuten und an der Zunge kalt ist, setzt das Hitzeempfinden aus, da dieselben Rezeptoren nun stattdessen den Kältereiz übermitteln. Eine Lösung ist das nicht, aber es verschafft euch sowas wie eine Pause.

Das Problem mit dem Magen ist in der Regel erst so weit verzögert, da brennt es schon gar nicht mehr im Mund. Wenn es soweit ist, dass sich der Magen verkrampft, kann immer noch Tee oder ähnliches helfen. Damit es aber gar nicht so weit kommt oder zumindest nur in abgemilderter Form, solltet ihr Weißbrot, süße und saure Lebensmittel und gesättigte Fettsäuren so weit es geht meiden![5][6]

Die Magenkrämpfe entstehen durch die Bildung von Histamin in unseren Mastzellen. Dazu habe ich bereits neulich einen Beitrag veröffentlicht. In der Magenschleimhaut kommen sehr viele Mastzellen vor, wodurch der Körper hier sehr viel Histamin ausschütten kann. Der Magen reagiert auf Histamin mit einer übermäßigen Produktion von Magensäure und erhöhter Muskelaktivität, was wiederum zu den besagten Magenkrämpfen führen kann. Die eben genannten Lebensmittel würden die Magensäureproduktion noch weiter ankurbeln, was kontraproduktiv wäre.

Gesucht sind also unterm Strich Lebensmittel, die viele pflanzliche Fette oder viel Casein enthalten. Alkohol, gesättigte Fettsäuren und Weißbrot und alles flüssige wird ausgeklammert. Pure Margarine wäre optimal, aber für den Großteil von euch und auch für mich ungenießbar. Tatsächlich empfehlenswert sind unter diesen Gesichtspunkten nur fettarme kaseinhaltige Milchprodukte wie Quark, Skyr oder Hüttenkäse, da diese zu keiner erhöhten Magensäureproduktion führen und zeitgleich Capsaicin binden, ohne es zu verteilen.

Wenn es komplett unerträglich sein sollte und ihr das alles nicht da habt, könnt ihr natürlich auch in diesem Fall auf die fetthaltigen, nicht flüssigen Produkte oder das Weißbrot zurückgreifen, aber solltet euch dann sehr gut überlegen, ob ihr das dann runterschlucken oder besser wieder ausspucken wollt. Der Nachhaltigkeit zuliebe würde ich hierzu nur im absoluten Notfall raten.

Wenn ich unterwegs bin und ich habe gar nichts zur Hand, womit ich den Schmerz lindern kann, kann auch „einfach Ausharren“ eine Methode sein. Oft brennt nur ein bestimmter Teil unserer Zunge in besonderem Maße und wenn 5 bis 10 Minuten um sind, ist der Schmerz bereits sehr viel schwächer und gut erträglich geworden. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass das eine überschaubare Zeitspanne ist, lässt es sich auch einigermaßen ertragen.

Wichtig ist prinzipiell immer beim sehr scharfen Essen – insbesondere, wenn wir nicht wissen, wie scharf es wirklich wird – bewusst zu atmen. So könnt ihr verhindern, dass ihr Schluckauf bekommt und insbesondere auch keine Atemnot zu erleiden habt.

Quellen

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